Gerald Hüther,
Wolfgang Roth
& Michael von Brück:
Damit das Denken Sinn bekommt.
Freiburg: Herder-Verlag Sommer 2008
Ist Denken nicht an sich sinnvoll, insbesondere logisches Denken? Beileibe nicht, wie wir alle schon erfahren haben: „das ist doch Unsinn, was du da sagst“, „deine Begründung ist nicht stichhaltig, nicht nachvollziehbar“! – Also hatte das hinter der Aussage stehende Denken nach unserer Erkenntnis ‚keinen Sinn’, war eben Unsinn oder bestenfalls nur für den Sprecher subjektiv sinnvoll. Wann aber sind Denken und Reden sinnvoll? Wann und wodurch erhält das Sagen, Denken und Handeln (s)einen Sinn?
Das ist die Frage, der wir uns in diesem Band stellen. Und wir müssen uns ihr stellen, denn wir können zwar alles Mögliche denken und sagen, vieles davon aber ist gefährlich sinnlos: Ideen, das Denken und Handeln schaffen Realitäten, deren globale Folgen sich selten absehen lassen. Mit großer Spannung verfolgen wir derzeit etwa die Diskussion um die Genforschung, die Umweltpolitik und den Streit um den religiösen Fundamentalismus. Jede und jeder hat seine Argumente und glaubt deshalb sinnvoll und richtig zu handeln, so dass sich letztlich unversöhnlich Positionen gegenüber stehen und bekämpfen. Und darin zeigt sich bereits das ganze Dilemma: sowohl das wissenschaftliche Arbeiten als auch das nicht-wissenschaftliche, religiös-weltanschauliche Suchen haben in seiner Intensität und in der weltumspannenden Kommunikation eine Gefährlichkeit erreicht, der ihre im Regionalen geltenden Vorteile bei weitem übersteigt. Es fehlt ein Maßstab und ein universelles System, mit dessen Hilfe das Dilemma, wer denn nun mit welcher Argumentation Recht hat und wie dem Ganzen gegenüber verantwortungsvoll geforscht und gehandelt werden soll, aufgelöst werden kann. Notwendig scheint eine Neudefinition von SINN als eines übergeordneten Begründungszusammenhangs mit universalistischer Qualität, allgemeiner Verbindlichkeit und klarer Folgeabschätzung. Es fehlt – kurz gesagt – eine verlässliche Möglichkeit, Sinn zu stiften und eine Verbindlichkeit, ihm entsprechend zu handeln. Und da Sinn per se universalistisch und auf das Ganze bezogen ist, ist dies auch die entscheidende Frage in einer globalen Welt, in der es keine regionalen oder zeitlich begrenzten Bedeutungen und Handlungen mehr gibt. Radioaktive Wolken und Klimaerwärmung machen nicht an Staats- oder Kontinentalgrenzen halt. Alles ist mit allem verwoben. Unser analytisches Denken zeigt bei allem erreichten Fortschritt nun seine problematische Kehrseite, und wir werden uns anzustrengen haben, die Geister wieder in einen allgemeinen Sinnhorizont einzufangen. Diese Aufgabe stellt sich nicht einer Disziplin, sondern allen. Der Kongress „Wissenschaft und Spiritualität“ im Sommer 2007 in Freiburg, der im Zusammenhang mit dem Besuch des Dalai Lama stand, führte Biologen, Genetiker, Mediziner, Pädagogen, Philosophen, Psychologen, Religionswissenschaftler und Soziologen zusammen. Ihr Gespräch ist nicht abgeschlossen, sondern hat gerade erst begonnen. Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns auf den Weg machen!